#25 Drum singe, wem Gesang gegeben

„Bist du bald fertig mit dem Gejaule?“, hörte ich meine genervte Mutter fragen, wenn ich als Kind meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Singen, nachging. Ich liebte das Singen, schon immer, aber anscheinend war ich nicht besonders begabt – wenn meine Mutter es sagte.

Also gab ich mich mit Playback zufrieden. In meiner Vorstellung kamen dann die glockenklaren Stimmen von Kylie Minogue oder Celine Dion aus meiner Kehle und brachten mir jubelnden Beifall ein.  

Jahre später.

Die herrlichen Klänge einer Konzertprobe lotsten mich abends in den großen Hof hinter dem Rathaus. Es war Sommer und ich gesellte mich zu den anderen, zufälligen oder auch bewussten Zuhörern. Das Open-Air Konzert würde morgen Abend stattfinden – und war leider ausverkauft.

Als ich am nächsten Tag etwas getrübter Stimmung die Fußgängerzone, die am Hof vorbei zum Marktplatz führte, entlang ging, war dort eine kleine Holzbude aufgebaut, wie es sie sonst nur für den Weihnachtsmarkt gab. Dort standen ein paar Leute in der Schlange, was mich neugierig werden ließ.

Es wurden tatsächlich die allerletzten Karten für das Konzert verkauft, Stehplätze. Ich hörte, wie der Verkäufer sagte, er habe nur noch eine Einzelkarte übrig und eine Millisekunde später wusste die ganze Stadt, dass ich leider noch Single war – so laut rief ich es über die Köpfe der vor mir stehenden Pärchen hinweg. Und bekam die Karte. Noch nie hatte dieser Satz, diese Tatsache, ein Glücksgefühl bei mir ausgelöst.

Daran konnte auch der Sommerregen am Abend nichts ändern. Ich saß die drei, vier Stunden seitlich auf einem öffentlichen Bänkchen unterm Regenschirm, wobei die Bäume den meisten Regen von mir fernhielten. Anders als in den Parkettreihen vor mir.

Kurz danach bin ich dem zugehörigen Chor beigetreten, obwohl ich nicht vom Blatt singen kann.

Den jubelnden Beifall bei den Konzerten habe ich herzlich gerne mit den anderen Chormitgliedern und dem Sinfonieorchester geteilt.

Drei Jahre später lud ich meinen heutigen Ehemann zu einem der Konzerte ein.

 

 

Petra (42), Sindelfingen

herzblut floss 2006 glockenklar durch Aachen. And her heart will go on... 

|Das silberne Herz für die 25.herzblut-Geschichte|

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Kommentare: 1
  • #1

    Thomas (Freitag, 01 Mai 2020 13:22)

    Petra, das war ja was....
    Dass du nach so vielen Jahren schreibst, das silberne Herz kassierst (Post geht noch raus die Tage, versprochen;-)), verrückt...
    Deine Geschichte zudem ist so "mittendrin", so selbstironisch und so lebensecht "happyendig", dass mir der heftige Schwall Herzblut nur so entgegen strömt.
    Zugabe!